Geboren in Erlangen, 1936
Verstorben 2022

„Fotografie“ lesen wir - und wähnen uns am falschen Ort. Denn dass dies Fotografien sind, erscheint kaum glaubhaft. Eher denken wir an Bilder oder Zeichnung und Druckgrafik. Abstrakten Kompositionen glauben wir uns gegenüber. Diese Grafitzeichnung, zum Beispiel, ein bewegtes Informel. Oder jene Lithografie in Rottönen mit der Anmutung einer verkleinernden grafischen Umsetzung eines Rothko-Gemäldes. „Dream Window for B. N.“ heißt das Hochformat. Sind es nicht die Initialen eines Freundes, kann nur Barnett Newman gemeint sein.

 

Gleichwohl sind die ausgestellten Arbeiten Fotografien. „Im Lauf des Wassers“ ist die vermeintliche Zeichnung überschrieben; im engen Bildausschnitt zeigt sie die Wirbel eines Bergbachs. Die angebliche Litho wiederum verdankt sich einer experimentell geschaffenen Raumsituation. 

 

Deutlich wird, dass es Richter nicht um den fruchtbaren Augenblick der Fotografie geht, auch nicht um die verdoppelnde Wiedergabe von Wirklichkeit. Lichtbildkunst ist für den in Freiburg und Bochum lebenden Fotokünstler ein Vorgang aktiver geistiger Gestaltung, der im Fotografen selbst seinen Ausgangspunkt findet. Der Zeit beansprucht und sich in einem Prozess der Verfremdung auslegt, in dessen Verlauf das Kameraauge dem Motiv spezifische, bisweilen mit beträchtlichem technischen Aufwand anvisierte Aspekte abgewinnt. 

 

Bei aller Experimentierfreude, die sich mittlerweile aufs Feld der Digitalfotografie vorgewagt hat, ist Richter ein Erzähler geblieben. „Tales of a Lightwalker“ sind drei Arbeiten betitelt. Gleich den Serien „Wind“ und „Im Lauf des Wassers“ erzählen sie im Natursujet von den Bedingungen des Daseins: in der Vergänglichkeit des Augenblicks von der aller Existenz. Die Serie „SerraSteel“ mit Motiven von Stahlskulpturen des amerikanischen Bildhauers Richard Serra schert hier nicht aus. Die schrundige Oberfläche der Plastiken erinnert an nicht mehr ganz junge menschliche Haut. Und rostige Stellen im Verein mit herbstlichem Laub der einen Aufnahme kehren in anderen Bildern in der auf technische Weise erzielten partiellen Rotfärbung wieder.

 

Hans-Dieter Fronz, 2013