Hideaki Yamanobe: The Peak

11 Oktober - 15 November 2025
Eröffnung: Samstag, 11. Oktober 2025, 11 Uhr

Der Künstler ist anwesend


Hideaki Yamanobe, The Peak
 
Hideaki Yamanobe entfaltet in seinen Gemälden eine stille, fast meditative Bildwelt. Aus nuancierten Abstufungen von Weiß und Grau auf schwarzem Grund entstehen abstrakte Räume, die mehr andeuten als benennen. Wie aufsteigender Dunst lösen sich Assoziationen aus den Bildflächen, die für einen Moment Gestalt annehmen, um sogleich wieder im Unbestimmten zu verschwinden.


Yamanobes Arbeiten verbinden auf bemerkenswerte Weise eine zeitgenössische, minimalistische Bildsprache mit Traditionen der ostasiatischen Landschaftsmalerei. Seine Werke atmen den Geist der im 15. Jahrhundert in Japan entwickelten ‚haboku‘-Tuschetechnik – jener „gebrochenen“ Malweise, bei der sich Formen in Auflösung befinden. Zentral ist dabei der bewusste Einsatz von Leere (‚ma‘) als gestalterisches Mittel. Diese Leerstellen sind nicht bloß Abwesenheit, sondern erzeugen durch ihren Kontrast zur ausgeführten Form ein subtiles Spannungsfeld, das zu Imagination und Kontemplation einlädt. Während die Meister der Muromachi-Zeit dabei stets auf konkrete Motive wie Landschaftsdarstellungen zurückgriffen, bleibt Yamanobe gänzlich der Abstraktion verpflichtet.


Nichtsdestoweniger laden seine Gemälde den Betrachter dazu ein, mit dem Blick über ihre Oberfläche zu wandern wie über ein verschneites Hochplateau. Spontan aufgetragene, lasierende Farbschichten formen diffuse Strukturen, die an Nebelschwaden, Wolkenzüge oder Felsformationen erinnern. Trotz größter Reduktion scheint in ihnen das Erhabene der Gebirgswelt anzuklingen – und damit jene Momente von Klarheit und Stille, die der Künstler beim Besteigen von Zugspitze und Mont Blanc selbst erfahren hat. Die Farbflächen verdichten sich zur Landschaft, die ihrerseits zur Metapher wird: Der Berg steht nicht nur für sich als Naturform, sondern als Sinnbild des Lebens. Dieses ist wie das Erklimmen der steinigen Hänge mühsam, der Weg ungewiss. Das lange Streben zum Gipfel, das Erreichen seines Höhepunkts als Moment des Triumphs und des größten Glücks, auf den der unweigerliche Abstieg in die Tiefe folgt – in dieser Ambivalenz klingt das japanische Konzept des ‚mono no aware‘ an: das melancholische Bewusstsein für die Schönheit des Flüchtigen und die Vergänglichkeit aller Dinge.


Yamanobes Ästhetik der Reduktion ist in der japanischen Kunsttradition als Ausdruck von geistiger Tiefe und Wahrhaftigkeit verwurzelt. In der Betrachtung seiner Werke entfaltet sich ein Spannungsfeld von formaler Stille und innerer Bildgewalt, die den Betrachter gleichermaßen zur kontemplativen Versenkung wie zur existenziellen Reflexion führen.
 
Xenia Ressos